„Es scheint schlechterdings unnatürlich, zum Vergnügen zu reisen, ohne eine Kamera mitzunehmen. Fotos sollen den unwiderleglichen Beweis liefern, dass man die Reise unternommen, das Programm durchgestanden und dabei seinen Spaß gehabt hat. Fotografien dokumentieren Konsumakte, die außerhalb der Reichweite der Familie, der Freunde und der Nachbarn vollzogen werden.“ (Susan Sontag)
Kategorie: Theorie & Meinung
Lichtspur zu Goethe
Eines Tages, vor sehr langer Zeit, stieß ich auf eine Fotografie des jüngsten Bruders von Napoleon, Jérôme (1852). Damals sagte ich mir mit einem Erstaunen, das ich seitdem nicht mehr vermindern konnte: „Ich sehe die Augen, die den Kaiser gesehen haben“. (Roland Barthes in Die helle Kammer, 1980)
Wir halten hier nicht etwa den originalen Abzug einer Fotografie Jérôme Bonapartes in Händen, sondern die von Prof. Carl Adolf Schmidt aus dem Jahr 1881. Die Verbindung reicht somit nicht zu dem großen Kaiser der Franzosen, aber immerhin zum deutschen Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe. Denn Schmidt, geboren 1815, war ein Spielkamerad der Enkel Goethes. Als junger Mann muss er Goethe getroffen haben; verbürgt ist, dass er ihn auf dem Totenbett sah. Später wurde Schmidt Jurist und 1872/73 Dekan der juristischen Fakultät der Universität Leipzig, der er im Jahr 1873/74 als Rektor vorstand.
Unser Blick richtet sich, den Spuren des Lichts folgend, über die Augen Carl Schmidts auf Johann Wolfgang von Goethe.
Zeit im Bild I
Wie sieht Zeit aus? Kann man sie fotografieren? Kann man aktuell Geschehenem zusehen, wie es in die Vergangenheit rückt?